Nimm mich in den Arm!
Warum Körperkontakt für den Menschen so wichtig ist
Sie ist Schutzschild, Stimmungsanzeiger, Temperatur-und Feuchtigkeitsregler und das größte Sinnesorgan des Menschen: die Haut. Fast jeder mag es, wenn sie berührt wird. Doch warum ist das so und welche Rolle spielen Berührungen in unserem Alltag?
Sei es die Umarmung der besten Freundin, der tröstende Händedruck der Großmutter das Durchknuddeln unseres Kindes – wir alle kennen diese Momente der Nähe, in denen Berührungen und Umarmungen dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen, beschützt oder einfach nur glücklich. Und dies ist nicht nur ein Gefühl – Berührungen lösen eine Reihe von Prozessen in unserem Körper aus, die unser Wohlbefinden beeinflussen. Sobald man über jemandes Arme streichelt, reagieren fast 1.500.000 Nervenenden, die für den Tastsinn verantwortlich sind. Durch diese sind wir unter anderem fähig, Druck, Vibration, Wärme und Kälte sowie Schmerz zu empfinden, was uns bei der Orientierung hilft.
Kuschelhormon sorgt für Wohlbefinden
Die erste Kommunikation, die wir als Baby mit der Außenwelt erfahren, ist in der Regel der Hautkontakt mit der Mutter. Und der ist enorm wichtig, da diese Berührungen uns für den Rest unseres Lebens programmieren. Streicheln, Kuscheln und Berührungen stärken die Bindung zwischen zwei Menschen enorm. Studien haben gezeigt, dass Körperkontakt Einfluss darauf hat, wie Kinder mit Stress umgehen, wenn sie älter sind. Außerdem lernen wir schon als Kind, dass Berührung eine unterbewusste, emotionale Sprache ist, die für unser Wohlbefinden sorgt. Bewiesen ist: Ist man in einem von viel Nähe geprägten Umfeld aufgewachsen, so geht man auch im Verlauf des weiteren Lebens offen mit Berührungen um. Ähnliches gilt auch im Erwachsenenalter: Kuscheln entspannt. So haben sanfte Berührungen der Haut Einfluss auf unsere Fähigkeit zur Empathie, sie entspannen und helfen uns dabei, abzuschalten sowie das Stresslevel zu reduzieren. Mangelnde Berührung im Baby- und Kleinkindalter kann dagegen gravierende gesundheitliche Folgen wie Depressionen oder ein mangelndes Körpergefühl haben und sogar bis hin zum Tod führen.
Doch woran liegt das eigentlich? In erster Linie ist das Kuschelhormon Oxytocin für den positiven Effekt von Berührungen verantwortlich. Denn dieses wird ausgeschüttet, wenn wir Körperkontakt mit anderen Menschen haben. Oxytocin sorgt dafür, dass Bindungen aufgebaut werden und Empathie empfunden wird; gleichzeitig stärkt es unser soziales Gedächtnis und durch die Ausschüttung unser Immunsystem. Doch nicht nur dieser Botenstoff wird aktiv, wenn wir berührt werden: Neben dem Kuschelhormon wird bei Körperkontakt wie einer festen Umarmung auch das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet; das Stresshormon Cortisol wird vermindert und der Blutdruck gesenkt. In Kombination sorgen diese Prozesse, die bei Körperkontakt ausgelöst werden, im Körper also dafür, dass wir uns wohlfühlen.
Streicheln ist angeboren
Erstaunlich ist: Der Mensch wird mit der Fähigkeit zu streicheln geboren. Ganz automatisch berühren wir andere in genau dem Tempo, in dem am meisten Oxytocin ausgeschüttet wird und wir uns somit besonders wohlfühlen.
Der Tastsinn ist außerdem einer der ersten Sinne, die der Mensch entwickelt. Schon ein 2,5 Zentimeter kleiner Fötus reagiert auf Reize, die im Mundbereich ausgelöst werden, mit deutlichen Bewegungen. Frühchen, die eine gewisse Zeit im Brutkasten verbringen müssen, nehmen bei der gleichen Menge an Nahrung deutlich schneller an Gewicht zu, wenn sie massiert werden, als die Frühgeborenen, die kaum Körperkontakt erfahren. Babys können Dinge spüren – schon lange, bevor sie sehen oder gar hören können. Schon früh fangen sie im Mutterleib an, beispielsweise nach der Nabelschnur zu greifen.
Außerdem scheint der Tastsinn einer der Sinne zu sein, der am schnellsten reagiert. So wird dieser in der heutigen Zeit häufig eingesetzt: Flugzeugpiloten etwa nehmen Informationen zweimal schneller wahr, wenn sie diese durch Vibrationen am eigenen Körper spüren, als wenn sie sie lediglich ablesen oder hören können. Auch in der Werbung wird das Thema „Fühlen“ berücksichtigt. So wird bei der Produktentwicklung häufig ein Produktdesigner eingesetzt. Er bezieht unter anderem für die Entwicklung von Verpackungen wie beispielsweise für Bodylotions mit ein, wie sie sich anfühlen. Oder auch das neue Smartphone wird darauf getestet, wie es in der Hand liegt – denn was sich gut anfühlt, wird auch besser verkauft.
Berührungen als Kommunikationsmittel
Sei es beim Treffen mit Freunden, der engere Familie oder mit Geschäftskollegen – Berührungen fühlen sich nicht nur gut an und steigern unser Wohlbefinden, sie sind neben der Sprache auch unser wichtigstes Kommunikationsmittel im Alltag. Ob wir Berührungen als angenehm empfinden oder wie wir sie durchführen, hängt jedoch stark davon ab, in welchem Verhältnis man zueinander steht. Auch in verschiedenen Kulturen haben Berührungen ganz unterschiedliche Bedeutungen:
- Berührungen machen Geschäfte. In arabischen Ländern wird es als mangelndes Geschäftsinteresse gedeutet, wenn kein oder kaum Körperkontakt stattfindet.
- Geschlechterunterschiede: Frauen haben ein größeres Verlangen nach Berührungen als Männer und nehmen diese eher als positiv wahr als ihr männlicher Gegenpol.
- Schüttle meine Hand! Der Handschlag ist in westlichen Ländern die am häufigsten angewandte Begrüßung. Allerdings spielt es dabei eine Rolle, wie fest der Händedruck ist. In Deutschland werden die Hände eher kurz gedrückt, im Süden Europas dagegen deutlich länger und intensiver.
- Hand in Hand durch die Welt – Paare drücken durchs Händchenhalten ihre Zuneigung und Liebe aus; Eltern sagen ihren Kindern, indem sie mit ihnen Hand in Hand laufen, dagegen: „Ich bin an deiner Seite und beschütze dich.“
- „Du hast deine Sache gut gemacht“ – das drückt die Geste des sanften Schulterklopfens aus; sie steht für Anerkennung und Lob.
- Eine feste Umarmung kann eine Vielzahl von Bedeutungen haben. In einigen Ländern wird sie als Begrüßungs- oder Abschiedsritual eingesetzt. Vor allem spendet sie aber häufig auch Trost und sagt: „Ich verstehe dich und bin bei dir.“
Eins ist auf jeden Fall sicher: Unabhängig davon, aus welcher Kultur man stammt und ob man Männlein oder Weiblein ist – Berührungen sind für das Wohlbefinden des Menschen und die Kommunikation unter-
einander von großer Bedeutung.