Depression und Darm – gehen Arm in Arm?

„Liebe geht durch den Magen“, so lehrt es uns der Volksmund. Jetzt heißt es immer öfter „Depression kommt durch den Darm“. Wie passt das zusammen? Gar nicht. Denn was der Volksmund über die Liebe sagt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Dass aber Darmbakterien beziehungsweise eine gestörte Darmflora unsere psychische Gesundheit beeinflussen, wird mittlerweile durch verschiedene Studien ziemlich sicher belegt.

Symbiose zwischen Mensch und Bakterien

Die genaue Zahl kennt niemand, aber in unserem Darm leben geschätzt rund 100 Billionen (!) Bakterien aus etwa 1.000 Arten. Damit existieren in unserem Organismus mehr bakterielle als humane Zellen. Die meisten, nämlich etwa 95 Prozent, sind willkommene Gäste, mit denen wir seit Tausenden von Jahren in einer gesunden Symbiose leben, denn sie stärken unser Immunsystem und schützen uns vor verschiedenen Erkrankungen. Darüber hinaus hilft die Darmflora bei der Verdauung und baut Giftstoffe ab. Aber was ist mit den restlichen fünf Prozent?

Neue Erkenntnisse aus der Forschung

Seit einigen Jahren beschäftigen sich immer mehr Forscher mit den Zusammenhängen zwischen Darm und Psyche. Sie haben dabei herausgefunden, dass eine gestörte Darmflora mit Angstgefühlen, seelischen Verstimmungen und Depressionen zusammenhängen kann. Daraus folgt der Schluss, dass wir etwas für unsere psychische Gesundheit tun, wenn wir uns um das Wohlbefinden unserer Darmflora kümmern.

Eine 2019 veröffentlichte Studie der Katholischen Universität Leuven in Belgien hat untersucht, wie die Merkmale des so genannten Mikrobioms im Darm mit der psychischen Gesundheit des Menschen zusammenhängen. Dafür standen Stuhlproben von rund 2.000 Probanden zur Verfügung. Das Ergebnis: Bei Menschen, die an Depressionen leiden, befanden sich deutlich weniger Bakterien der Gattungen Dialister und Coprococcus im Stuhl als bei psychisch gesunden Menschen. Eine Veränderung trat auch nach der Verordnung von Antidepressiva nicht ein. Diese große Studie bestätigt recht eindrucksvoll, was in der Mikrobiomforschung zuvor nur vermutet wurde.

Trotzdem ist dies noch kein endgültiger Beweis. Denn es könnte auch umgekehrt so sein, dass eine Depression das Mikrobiom im Darm negativ beeinflusst. Die belgische Studie belegt allerdings, dass die Bakterien der Darmflora mit unserem Nervensystem zumindest kommunizieren können, indem sie Neurotransmitter erzeugen.

Was macht die Darmflora mit dem Menschen?

Zwischen Darm und Gehirn findet eine rege Kommunikation statt, wobei die Beeinflussung der Psyche durch die Darmflora deutlich stärker ist als umgekehrt. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von der Darm-Hirn-Achse. Der Darm kann steuern, ob wir Appetit verspüren oder satt sind, er kann positive Auswirkungen auf das menschliche Lernen haben und ein Suchtverhalten erzeugen.

Darmhormone sind in der Lage, Ängste zu erzeugen, und Teile der Bakterien in der Darmflora produzieren wichtige Botenstoffe des Gehirns. Neben der Auslösung von Depressionen wird in der Wissenschaft auch diskutiert, ob der Darm mitverantwortlich ist für Erscheinungen und Erkrankungen wie Demenz, Autismus, Abhängigkeiten und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen.

Wenn dem so ist, kann man davon ausgehen, dass unsere Ernährung einen wichtigen Anteil daran hat, wie der Darm unsere Psyche steuert und und unser Leben beeinflusst. Manche Forscher vermuten, dass der Stoffwechsel von Bakterien im Darm das Gleichgewicht der Hirnbotenstoffe Dopamin, Serotonin und Noradrenalin stören kann. Vor allem Dopamin und Serotonin spielen eine Rolle, weil eine Fehlfunktion dieser beiden Substanzen mit Depressionen in Verbindung gebracht wird.

Welche Therapieansätze gibt es?

Wenn es so ist, dass die mangelnde Anzahl an Bakterien wie Dialister und Coprococcus für das Entstehen von Depressionen verantwortlich ist, könnte die Verabreichung von Probiotika ein Therapieansatz sein. Auf diese Weise ließen sich die fehlenden Bakterien dem Darm über die Ernährung zuführen. Endgültige Beweise fehlen aber noch. Die Forschung hat auf diesem Gebiet noch reichlich Arbeit zu leisten, bevor eine solche Behandlung wirklich zuverlässig getestet werden kann.

An der Universität Basel gibt es Versuche, die Zusammensetzung des Mikrobioms mit Stuhltransplantationen zu beeinflussen. Dabei wird der Stuhl gesunder Menschen auf depressive Menschen übertragen. Aber auch diese Experimente stecken noch in den Kinderschuhen. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, wie der gesunde Stuhl beschaffen sein muss und wer als Spender in Frage kommt, ohne andere Krankheiten zu übertragen.

Falsche Ernährung und Umwelteinflüsse

Wie bereits erwähnt, war es ein langer Weg durch die Evolution, bis Mensch und Darmbakterien zu einer symbiotischen Lebensweise gefunden hatten. Diese Symbiose wird aber seit einigen Jahrzehnten erheblich gestört. Zum einen durch schädliche Umwelteinflüsse, zum anderen durch industriell verarbeitete Nahrung, zu viel Zucker und tierische Fette oder chemisch erzeugte Nahrungsmittelzusätze. Das beeinflusst die Darmflora natürlich auch. Hier ergibt sich wahrscheinlich ein weiterer Ansatz für Forschungen, wie weit Ernährung, Darmflora und deren Verantwortlichkeit für Depressionen zusammenhängen.

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